16 Aug, 2024

„Alles Andras“ – Greifswald, erste runde DFB-Pokal

Andras Ruppert wrote this great comment before the Greifswald match. It can unfortunately not be translated into English without losing something on the way. We therefore keep it in German. Please enjoy!

 

 

„Alles Andras“ – Wo man in die russische Röhre guckt

 

In der ersten Runde des DFB-Pokals geht es für Union nach Greifswald, wo Toni Kroos Lokalheld ist und seit jeher alles im Zeichen der Energieversorgung steht.

 

„Maikäfer, flieg! Der Vater ist im Krieg, die Mutter ist im Pommernland und Pommernland ist abgebrannt. Maikäfer, flieg!“ Kennt das noch wer? Den begrenzt DDR-kompatiblen Text auf die Wiegenliedmelodie hat mir meine Oma in den 1960er Jahren ins Ohr geflötet. Quasi als persönliche Vertreibungsbewältigung. Gut, dass wir nicht über die Oder nach Osten, sondern nur nach Greifswald in Vor-Pommern reisen. Pokal statt international. Erste Runde auswärts als Saisonvorspiel.

 

Für Martin und Hilde aus unserem norwegischen Fanclub ist es das wichtigste Spiel des Jahres. Zu diesem fahren sie immer, planen ihren Jahresurlaub in Deutschland rund um dieses Spiel. Letztes Jahr ins reiche Hoppistan zu Äbbelwoi und Personenkult. Dieses Jahr geht die Reise in eine der ärmsten Regionen unseres verblühenden Landes. Aus NVA-Zeit in Eggesin auch bekannt als Land der drei Meere: Wald-Meer, Sand-Meer, Nichts-Meer.

 

Bei der Einkommenssteuer pro Einwohner rangierte Vorpommern- Greifswald 2022 auf Rang 391 aller 400 Kommunen Deutschlands. Scheinen also größtenteils arme Schlucker oder erfolgreiche Steuervermeider zu sein. Auch kein Wunder, denn die drei größten Arbeitgeber Greifswalds sind Universität, Krankenhaus und Kommunalverwaltung.

 

Da, wo man jetzt in entleerte russische Röhren guckt

 

Bemerkenswert, dass der Greifswalder FC vor diesem Hintergrund genug Penunse hat, um in der 4. Liga oben mitzumischen. Denn Lokalheld Toni Kroos ist unter den Sponsoren des Vereins offiziell nicht zu finden. Vielleicht weil der örtliche Sportplatz noch nicht seinen Namen trägt?

 

Stattdessen gehören zum *GFC-Partnerpool* unter anderem die lokale Sparkasse, die JOHO Broilerbar, und die Deutschen Ölwerke Lubmin. Hauptsponsor ist ebenfalls eine Firma aus dem Energiesektor. Kein Wunder, denn mit Energie kennt man sich aus im hohen Nordosten. Ob freiwillig oder erzwungen sei dahingestellt. Denn da, wo man jetzt in entleerte russische Röhren guckt und über einen norwegischen Flüssiggasterminal diskutiert, wurde früher DDR-Atomstrom produziert. Immerhin war der Reaktor groß genug, um große Teile Neufünflands unter Strom zu setzen und ab 1968 den lokalen Fußballverein zu finanzieren, die BSG KernKraftWerk Nord.

 

Union hat gegen KKW öfter gespielt. Das erste Liga-Punktspiel dort am 24. August 1969 vor fast genau 55 Jahren ging verloren. Das letzte am 7. April 1991 gegen die nun Sponsor-befreiten Fabeltiere auch. Kuriosum: Während ich mit zigtausend anderen Unionern am 11. November 1989, zwei Tage nach dem Mauerfall, im Olympiastadion den Wattenscheidern ein „Die Mauer muss weg!“ entgegenbrüllte, fanden sich tatsächlich ein paar unentwegte Eiserne an jenem Tag zum Auswärtsspiel bei den Greifen ein. Echte Liebe! Sollte mit lebenslang freiem Eintritt an der Alten Försterei belohnt werden. Ergebnis damals hier wie da 1:1.

 

Makellose Bilanz: vier Spiele, vier Siege

 

Im Pokal hat sich Union in Greifswald zwischen 1972 und 1990 übrigens nie eine Blöße gegeben. Vier Spiele, vier Siege. Hoffen wir, dass es so bleibt und uns die Blamage zum Saisonauftakt erspart wird. Denn diese Saison ist Pokalsaison, verdammt noch mal! Um es mit Achim Menze zu grölen: „Den Pokal den woll’n wir haben, darauf sind wir eingestellt!“ Oder wenigstens Finale wie im Mai 2001. Ist schon viel zu lange her. Dafür müssen wir nur fünf Spiele gewinnen, fürs Kollektiv-Trinkgefäß brauchen wir einen Sieg mehr. Wäre Pokalgewinn – neben Klassenerhalt – nicht mal ein wirklich geiles Saisonziel? Dann darf’s im Jahr darauf auch wieder „Euronenliga“ sein.

 

Eisern!