14 Feb, 2025

Schneeball Richtung Union-Spielfeld: Früher ein erhobener Zeigefinger, heute Abbruch

By Andras Ruppert


Wenn es, wie von meiner Wetter-App prognostiziert, diese Woche in Berlin schneit, und die versprochene norwegische Kälte kommt, dann gibt es am Samstag ein Heimspiel, wie es sie früher im Stadion An der Alten Försterei im Februar häufig gab: Schnee-Fußball. Leider oder zum Glück – je nach Perspektive – heute nur noch auf den Wegen zum Stadion, ohne Schnee auf dem Platz und den Rängen. Dach und Rasenheizung sei Dank – oder auch nicht.

 

Schnee im Stadion war früher ein freudiges Ereignis


Denn was heute wie ein Märchen aus alter Zeit klingt, war früher bei Heimspielen des 1. FC Union Berlin, besonders im Februar, ein freudiges, abwechslungsreiches Ereignis: Schnee überall im Stadion. Wo man auf den Rängen stehen wollte, wurde der Schnee zusammengetreten, bis sich Eis unter den Schuhen bildete. Oder zur Schneeballschlacht benutzt. Bei jedem gegnerischen Eckball flogen dutzende Schneebälle Richtung Eckentreter. Die coolen Spieler haben es ignoriert. Die Witzigen haben zurück geschmissen. Schirmschutz? Gabs nicht, brauchte man nicht.


Was heute zum sofortigen Spieler-Zusammenbruch nebst Spielabbruch führen würde, hatte im real-krepierenden Sozialismus höchstens einen erhobenen Zeigefinger des Schiedsrichters zur Folge. Und eine müde Ansage aus dem Sprecherturm. Dabei kann ich mich nicht erinnern, dass in den Jahren vor Dachbau und Rasenheizung jemals ein Zuschauer oder Spieler am Schnee in der Alten Försterei ernsthaft verunfallt ist.


Und lustig waren die Spiele anzusehen. Wie im Februar 1983 gegen Magdeburg. Erinnert sich noch wer? An diese in Warnorange gefärbten Frotteepullover unserer Jungs beim 1:1 im knöcheltiefen Schnee? Als Außenbegrenzung und Strafraumlinie das Einzige war, was freigeräumt wurde? Als der Pass in die Tiefe im tiefen Schnee stecken blieb, der Stürmer nicht beim Ball bremsen konnte und stattdessen daran vorbeirutschte? Als Torwart Heyne der Ball nach Bernd Quades Freistoß durch die Finger flutschte? Als Joachim Streich, aufgrund des kurzen Wuchses kaum aus dem Schnee hervorschauend, den Ausgleich mit dem Kopf erzielte?


Da hatte das „kämpfen Union, kämpfen!“ noch einen tiefen, physischen Sinn. Anders als heute, wo es auf beheiztem Rasen eher des moralischen Aufbaus dient. Da kämpften sich Meter, Disco & Co buchstäblich durch den Schnee, immer weiter ganz nach vorn. Da lag übrigens auch keiner lange am Boden oder wälzte sich mit drei Umdrehungen. Fouls wurden bei Tacklings nur dann gepfiffen, wenn der aufgewirbelte Schnee bis in die Zuschauer hinterm Zaun flog. So ging man damals um mit dem größten Feind des Sozialismus, dem Winter.

 

2001 steht ein Pokal-Spiel gegen Mönchengladbach vor dem Abbruch


Warum mir das alles durch den Kopf geht? Weil es da drin steckt. Und wegen des einen, ersten Spiels gegen Mönchengladbach hier im Februar 2001. Der Tag, der als Schneedrama begann. Ein Spiel, das vor der Absetzung stand. Welches dank Radio, hunderter schneeschippender Unioner und einer kämpfenden Mannschaft zur ultimativen, siegreichen Pokal-Schlammschlacht mutierte.


Genauso soll es gern auch diesen Samstag sein. Wenn schon nicht durch Schnee schliddernd, dann wenigstens den Rasen umpflügend zum Sieg kämpfen. Wie in Hoffenheim. Mit 4-4-2 zum 4:0. Bestimmt finden sich danach ein paar hilfreiche Seelen, die aus dem Samstag-Sieg-Acker bis zum Anpfiff des Spiels unserer Frauen am Sonntag wieder einen bespielbaren Fußballplatz zaubern.


Eisern!